In  meinem letzten Blogbeitrag habe ich zu Recht gefordert: „Mehr Macht für den Einkauf!“ Denn nur so, kann der Einkauf zum Manager der externen Wertschöpfung werden. Ebenfalls zu Recht haben Sie mir die Frage gestellt, wie es dem Einkauf gelingen kann, dieser Forderung gerecht zu werden. Ich gebe zu, gefordert ist leichter als umgesetzt. Wer bisher als Bestellsekretariat fungierte und bestenfalls als funktionierendes Rädchen im Getriebe wahrgenommen wurde, kommt nicht von allein ans Steuer, nur weil er den Wunsch dafür äußert. Die Veränderung der Position des Einkaufs im Unternehmen hat verschiedene Dimensionen.

 

Essentiell ist die Rückendeckung der Geschäftsführung. Es hat sich bewährt, an echten Beispielen konkrete Wertbeiträge des Einkaufs nachzuweisen und auch verschenkte Chancen zu quantifizieren, die man unter frühzeitigerer Einbindung hätte heben können. Das kann der Preisunterschied zwischen einem Sonder- und einem fast identischen Normteil sein, der Nachweis von durch Maverick-Buying verschenkten Volumenbündelungspotenzialen oder die durch die Überwindung der „Kirchturm“-Beschaffung adressierbaren Kosten- und Prozessvorteile. Mit solchen Argumenten im Rücken, kann man eine Basis für ein besseres Verständnis der potentiellen Rolle des Einkaufs bei der eigenen Geschäftsführung schaffen.

 

Fast noch wichtiger ist es jedoch, die Position des Einkaufs gegenüber den Bedarfsträgern zu stärken. Nur wenn es gelingt, die Bedarfsträger davon zu überzeugen, dass der eigene persönliche und wirtschaftliche Nutzen größer ist, als der Machtverlust durch Delegation von Verantwortung an den Einkauf, wird man diese Kollegen hinter sich bekommen. Leichter ist es, wenn das Unternehmen das Silo-Denken und die Machtegoismen der Bereiche schon überwunden hat. Gibt es diese noch, dann braucht man starke wirtschaftliche Argumente und ein tragfähiges Netzwerk innerhalb des Unternehmens.

 

Eine Krise ist ein idealer Zeitpunkt, die eigene Position im Unternehmen zu stärken. Sie bietet für den Einkauf eine echte Chance. Wenn also angeblich nicht austauschbare Artikel plötzlich nicht lieferbar oder nicht verfügbar sind, wenn liebgewordene Bestandslieferanten scheinbar plötzlich nicht mehr performen, wenn Technologien durch regulatorische Eingriffe, zum Beispiel Umweltauflagen, modifiziert werden müssen, dann wird es Zeit, den Einkauf kraftvoll neu zu positionieren. Eine erfolgreiche Lösung des Problems der Bedarfsträger durch Ihren Einkauf ist das beste Argument. Denn bei einer frühzeitigen Einbindung des Einkaufs in den Produktentstehungsprozess hätte schließlich viel Ärger und Stress auf allen Seiten verhindert werden können. Hätte, hätte, Fahrradkette. Dann hilft nur dranbleiben und die durch den Einkauf identifizierten Problemlöser konsequent zu führen. Wer Lieferantenmanagement und Lieferantenentwicklung zu einer Kernfunktion des Einkaufs macht, stärkt seinen Stellenwert im Unternehmen deutlich wahrnehmbar. Die so gemeinsam erreichten Erfolge gilt es offensiv zu kommunizieren. Nur wenn alle verstehen, dass der Einkauf echte Probleme gelöst hat, wird sich die Wahrnehmung des Einkaufs dauerhaft verbessern lassen.

 

Darüber hinaus eignet sich der Einkauf zum Beispiel hervorragend dazu, systematische Make or Buy-Entscheidungen vorzubereiten, Anforderungen an Zulieferer und Dienstleister Anbieter-neutral zu formulieren und die benötigten Zukaufleistungen und –teile wertanalytisch zu betrachten. Dann steckt das einstige „Bestellsekretariat“ auf einmal mitten im Wertschöpfungsprozess und kann auf der ganzen Klaviatur der Einkaufshebel, wie sie zum Beispiel im A.T. Kearney Einkaufsschachbrett beschrieben sind, virtuos spielen. Ziel sollte es sein, die Hälfte der Wertschöpfung des Unternehmens – nämlich die vorgelagerte oder integrierte externe Wertschöpfung – unter das Management des Einkaufs zu bekommen. Dann stehen wir Einkäufer im Fokus und auch im Rampenlicht. Das Rampenlicht brauchen wir, um für die eigene Agenda im Unternehmen Gehör und Aufmerksamkeit zu finden.

 

Viel Erfolg! Nur Mut!